Home » THE FUTURE OF WORK » Die Angst geht um: Führung in der Krise?
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Dirk Hahn

CEO Hays Germany and EMEA

In den oberen Etagen vieler Unternehmen flüstern sich Managerinnen und Manager immer
öfter eine Frage zu: „Wenn sich alle selbst organisieren, was ist dann eigentlich noch Chefsache? Was habe ich noch zu melden, wenn alle agil und frei von Hierarchien arbeiten?“ Unsicherheit geht um und bei einigen auch die Angst. Wir Führungskräfte waren doch immer die, die gesagt haben, wo es langgeht! Und jetzt?

Jetzt sind diese Zeiten vorbei. Und wie immer bei tiefgreifenden Veränderungen ist der harte Gegendruck bereits zu spüren. Wie in so vielen Bereichen, wirkt auch hier Corona als Brandbeschleuniger. In unserer aktuellen Studie „Zwischen Vertrauen und Kontrolle“ geben 70 Prozent der befragten Führungskräfte an, dass ihnen die Führung vor dem Hintergrund der fehlenden räumlichen und persönlichen Nähe zu den Mitarbeitenden schwerfällt. Kontrollverlust – nichts schmerzt Führungskräfte anscheinend mehr. Die typische Reaktion: Micromanagement und digitale Kontrollen. So versuchen derzeit viele Managerinnen und Manager in den Griff zu bekommen, was ihnen wohl längst entglitten ist. Denn diese Lektion müssen wir wohl jetzt alle lernen: Straffe, gut durchorganisierte Arbeitsprozesse nebst permanenter Effizienzsteigerung führen nicht mehr zum Ziel. Wer konventionell führt, verliert die Führung. Denn die Mitarbeitenden erleben sich in solchen Gefügen nur als Räder im Getriebe, sie funktionieren, sind austauschbar. Dieses Gefühl haben laut unserer Studie bereits 45 Prozent der befragten Beschäftigten. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass diese Mitarbeitenden das Weite suchen.

Quelle: Studie Arbeitsrealität 2021 © Hays

Die hybride Arbeitskultur mit ihrer Standortunabhängigkeit führt uns vor Augen, dass das Gegenteil von dem notwendig ist, was viele Führende derzeit praktizieren: Nicht noch mehr kontrollieren und ansagen, sondern wahrnehmen, zuhören, ernstnehmen. Und zwar regelmäßig, direkt und persönlich. Wer das tut und wirklich gut zuhört, was die Mitarbeitenden bewegt, was sie motiviert, was sie nervt, was sie bremst und was sie vermissen, der ist auf dem richtigen Weg. So wird er lernen: Ökonomische Erfolge und empathisches Leadership schließen sich nicht aus. Sie gehören zusammen – mehr noch – das eine folgt aus dem anderen. Wer hätte das früher gedacht?

Viele sind bereits auf dem Weg und sammeln Erfahrungen mit neuen Modellen und Instrumenten. Sie praktizieren New- Work-Ansätze, geben Freiräume, sprengen Wissenssilos und kommunizieren auf Augenhöhe. Ein erster Schritt.

Wer so angefangen hat, der kann mit einem zweiten Schritt gleich weitermachen und mal genau hinsehen, wer da so eigentlich arbeitet in seinem Unternehmen, Bereich, Abteilung, Team. Wen habe ich da in all den Jahren eigentlich eingestellt und befördert? Und nach wem suche ich eigentlich immer wieder, wenn ich suche? Es gibt wohl kaum eine Führungskraft, die nicht irgendwann mal in die Falle des „unconscious bias“ getreten ist. Das kenne ich von mir selbst auch gut und es ist sehr menschlich. Man sucht immer nach denselben Mustern, nach eigenen Vorlieben und nach Kriterien, die nie jemand in Zweifel zieht. Das gibt Sicherheit und schafft Kontinuität. Die Schattenseite: Nicht selten entstehen recht uniforme Teams, die immer dieselben Ideen produzieren, in denen niemand jemanden wirklich inspiriert, niemand widerspricht, ausbricht, übertreibt. Vielfalt ist kein Zeichen sozialen Engagements für mich, sondern ein Asset und ein Zeichen moderner Führung. Sie respektiert unterschiedliche Lebensentwürfe und Perspektiven (und profitiert davon). Sie schafft Rahmenbedingungen für solche, die eben nicht dem Muster entsprechen und sorgt dafür, dass sie sich entfalten können. Und das alles in diese Richtung mit Augenmaß verändern.

„Wenn sich alle selbst organisieren, was ist dann eigentlich noch Chefsache?“, fragen sie sich auf den Fluren der oberen Etagen. Die Antwort ist einfach: Chefsache ist, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Mitarbeitende bestens in all ihren Talenten entfalten können. Chefsache ist, diverse Teams zu bilden, die kreativ und produktiv sind. Chefsache ist, ein Mindset zu etablieren, in dem nicht einfach gefolgt, sondern im Sinne des Unternehmens hinterfragt wird. Wer sich das alles traut, wird mehr Gefolgschaft ernten als jeder Boss vergangener Tage.

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