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RISIKOMANAGEMENT

„Risiken gehören dazu“

Fotos: Thomas Burblies

Beim Surfen ist er Teil des Sports – der Sturz, Wipeout genannt. Sebastian Steudtner setzt sich diesem Risiko immer wieder aus. Der Big-Wave-Surfer stellt sich den bis zu 30 Meter hohen Wellen, wo er unmittelbar in gefährlichen Strömungen und an scharfen Riffen den Wassermassen ausgesetzt ist. Wie also sorgt er dafür, dass aus einem Wipeout kein lebensgefährlicher Unfall wird? Wie der deutsche Extremsportler mit Risi-ken umgeht und wie kalkulierbar Risiko wirklich ist, erzählt er im Interview.

Als Big-Wave-Surfer setzt man sich bewusst einem gewissen Maß an Risiko aus. Wie weit kann man Risiko beherrschen?

Es gibt zwei Arten von Gefahr/Risiko, zum einen die reale Gefahr und zum anderen das, was man gesellschaftlich als Risiko beigebracht bekommen hat. Beide Arten verschwimmen oft zu einer Sache. Man kann Risiko durch intensive Vorbereitung minimieren, aber die Welle, also das Risiko, werde ich nie zu 100% beherrschen. Kein Mensch kann das, da immer Dinge passieren können, die man einfach nicht steuern oder vorhersehen kann.

Wie schafft man es, durch Vorbereitung das Risiko möglichst zu minimieren?

Ich versuche, alle Gefahrenpunkte zu analysieren, und mache sie mir bewusst. Das ist auch ein ständiger Entwicklungspunkt in meinem Programm, an dem ich mit meinem Team in der Saison und Offsaison gezielt arbeite. Da geht es darum, wo liegt das Risiko, was ist beherrschbar und was nicht, wie bereiten wir uns technisch und physisch darauf vor. 

Wenn man alles zuvor plant, analysiert und sich mit seinem Team austauscht, bekommt man noch mal das nötige Selbstvertrauen. Dann habe ich erst genau die Freiheit, auch vom Kopf her, die ich dann brauche, um alles geben zu können. Je freier man handeln kann, umso sicherer ist man.

Du stehst zwar allein auf dem Brett – hinter dir hast du aber immer ein Team. Welche Expertisen ziehst du mit Blick auf die Risikoanalyse zurate? 

Drei Jetskifahrer sind immer mit mir im Wasser und dienen vor allem auch als Rettung im Ernstfall. Jede mögliche Gefahrensituation wird zuvor durchgedacht, sodass immer klar ist, wer wann was zu tun hat. Das wird dann von einem Kommunikationsverantwortlichen von der Klippe aus koordiniert. Ansonsten versuche ich für jeden spezifischen Bereich Experten im Team zu haben, die mich beraten. Dazu gehört der sportwissenschaftli-

che Aspekt, die technische Vorbereitung, also welches Bord ist beispielsweise geeignet, und ein Marinearzt des deutschen Militärs. 

Du surfst häufig deinen Homespot im portugiesischen Nazaré – wenn ihr an einem anderen Spot surft, außerhalb des Gewohnten, wie läuft die Risikoanalyse dort ab?

Big-Wave-Surfen ist immer risikoreich, deswegen muss man sich akribisch vorbereiten. Eine 20-Meter-Welle ist eben wie ein Berg, der aus dem Meer klettert, und man ist dann 600.000 Tonnen Wasser ausgesetzt. Das lässt dich fühlen, wie klein und unbedeutend du bist. Wenn die Routine nicht da ist, ist es noch mal eine Extraherausforderung, aber das ist auch was Gutes, weil man fokussierter und aufmerksamer ist. Man spricht dann mit Einheimischen, um möglichst alles zu wissen, was wichtig ist. Abwechslung ist wirklich wichtig, um den Fokus zu behalten und zu verstehen, dass Routine kein Risiko mindert. 

Wenn man in seinem beruflichen und sportlichen Leben so direkt mit hohem Risiko in Kontakt ist, kommt es auch in alltäglichen Situationen vor, dass man bewusster mit Risiko umgeht?

Definitiv, denn das ist alles eine Sache des Trainings. Mein Job ist es ja auch, Risiko und Gefahren zu erkennen und darauf zu reagieren. Auch im Alltag sehe ich da Gefahrenherde weit vor vielen anderen, weil mein Gehirn mittlerweile darauf geschult ist.

Als ich das erste Mal von einer Welle zerlegt wurde und erst dachte, ich sterbe, war es danach wie eine Art Befreiung. Der Knoten war geplatzt, weil ich dann gesehen habe, ich konnte zwar erst nichts machen, aber ich sterbe nicht, weil ich vorbereitet bin. 

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