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Gleiche Chancen für Frauen in der Wirtschaft 

FOTO: SFIO CRACHO via shutterstock.com

Jasmin Arbabian-Vogel

ist geschäftsführende Gesellschafterin der 1996 von ihr gegründeten Inter-kultureller Sozialdienst GmbH, einem Pflege- und Sozialdienst in Hannover, bei dem die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte im Fokus steht. Zudem engagiert sich Jasmin Arbabian-Vogel in zahlreichen Ehrenämtern unter anderem für Frauen in Führungspositionen und fungiert seit Juni 2018 als Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen e. V. (VdU). In einem Interview spricht sie mit uns über Karriere und Gleichstellung der Frauen.

Nur knapp 15% der Start-ups in Deutschland werden von Frauen gegründet. Wieso sind Frauen in der Gründer:innen-Szene noch so unterrepräsentiert?

Ein Grund dafür ist der Zugang zu Kapital für frauengeführte Unternehmen und Start-ups

Frauengeführte Unternehmen haben im Vergleich zu solchen mit männlicher Chefetage größere Probleme eine Finanzierung zu erhalten – insbesondere bei hohen Beträgen. Somit zeigen sich klare Benachteiligungen von Frauen durch Gender Bias in Investmentprozessen. Gründerinnen werden z. B. mit anderen Fragen konfrontiert: Männer dürfen meist über ihre Visionen sprechen – Frauen sollen häufiger konkrete Finanzprognosen liefern. Auch die oftmals rein männliche Zusammensetzung der Investorenteams trägt dazu bei. Eine weitere Ursache ist die erschwerte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, fallen doch Unternehmensgründung und Familiengründung nicht selten zusammen.

Welche strukturellen und gesellschaftlichen Barrieren existieren noch auf dem Arbeitsmarkt, die Frauen daran hindern, ihr volles Potential auszuleben?

Wir wollen eine liberale, moderne Gesellschaft sein, die Frauen und Männern gleiche Chancen bietet, aber die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Frauen haben einen großen Anteil an der wirtschaftlichen Leistung Deutschlands und sind beim Berufseinstieg besser ausgebildet, dennoch sind sie weiterhin unterrepräsentiert als Gründerinnen, in MINT-Berufen und sonstigen Führungspositionen der deutschen Wirtschaft. Ursachen sind zum einen strukturelle Faktoren in den Unternehmen, wie eine größtenteils männlich definierte Unternehmenskultur sowie Faktoren, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschweren und zum anderen soziokulturelle Faktoren, die die berufliche Entwicklung von Frauen prägen.

Denn überholte Geschlechterstereotype sind hierzulande noch weit verbreitet

Was genau verstehen Sie unter Female Empowerment?

Female Empowerment bedeutet für mich, dass Frauen für ihre Freiheit, Gleichstellung und Rechte selbstbewusst einstehen. Das lässt sich auch auf den Arbeitsmarkt und das Unternehmertum übertragen, denn es geht letztlich darum, Frauen darin zu bestärken, ihren eigenen Weg zu gehen – frei von überholten Rollenbildern. Wir brauchen mehr Sichtbarkeit für weibliche Vorbilder, denn diese wirken sich positiv auf die Bildung und Stärkung unseres Bewusstseins aus. Sie bieten Orientierung und geben Kraft, an die eigenen Fähigkeiten zu glauben. Schließlich können wir nur werden, was wir erleben und uns vorstellen können.

Wie helfen Verbände wie der VdU Frauen, die den Schritt ins Unternehmertum wagen wollen? Wie stärken sie die gemeinsame Interaktion und helfen Frauen, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln?

Netzwerke sind zentral für die berufliche Entwicklung und vor allem Frauen müssen sich besser vernetzen.

Der VdU setzt sich seit 1954 für weibliches Unternehmertum, mehr Frauen in Führungspositionen und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der Wirtschaft ein

Dabei ist unser Verband getragen von den persönlichen Kontakten: Der branchen- und generationsübergreifende Austausch unter Frauen mit ähnlichen Herausforderungen sind das Herz des VdU. Unsere Mitglieder nutzen die Gelegenheit sich gegenseitig zu unterstützen, voneinander zu lernen und auf neue Ideen zu bringen. Sie übernehmen Verantwortung für die nächste Generation, teilen ihr Know-How, machen Mut und zeigen, was machbar ist.

Das Coronavirus hat die Art und Weise, wie viele Menschen arbeiten, schlagartig verändert. Inwieweit bietet die rasche und umfassende Etablierung neuer und flexibler Arbeitsmodelle Frauen zusätzliche Möglichkeiten, eine Führungsrolle zu übernehmen? Welche Rolle spielt dabei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Lebensphasenorientierte Karrierekonzepte, in denen Arbeitsstunden erhöht oder verringert werden können und durch die ein Wiedereinstieg erleichtert wird, räumen Hürden aus dem Weg. Zudem bieten Jobsharing, Topsharing und Führung in Teilzeit enorme Chancen für eine bessere Vereinbarkeit. Auch setzen sie auf eine teamorientierte und kollaborative Arbeitsweise und damit auf Softskills, die vor allem Frauen zugeschrieben werden. Wenn sich diese Softskills als harte Skills etablieren, eröffnet dies den Raum für eine nachhaltige Veränderung der Unternehmenskultur, was ein entscheidender Schritt für die gleiche Teilhabe von Frauen im Berufsleben sein kann.

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