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Wenn der Generationswechsel Unternehmen und Politik überholt 

FOTO: fizkes via shutterstock.com

Bei den Recherchen zu meinem Beitrag bin ich auf ein Buch des Deutschen Handwerksinstituts aus dem Jahr 2011 (!) gestoßen.1 Dort heißt es u.a. im Vorwort:

Der demografische Wandel ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Gesellschaft, Wirtschaft und Politik müssen sich darauf einstellen. …

Zwölf Jahre, nachdem kluge Köpfe einen dringenden Appell formuliert haben, betrachte ich die aktuelle Situation und stelle mir nun die Frage, was in der Zwischenzeit geschehen ist. Bereits 2011 war abzusehen, dass die Demografie in den kommenden Jahren zu einer Herausforderung für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik werden könnte, wenn die Weichen nicht rechtzeitig gestellt werden würden. Anscheinend fehlte es jedoch an der notwendigen Ernsthaftigkeit ein sich anbahnendes Problem mit entsprechend zeitlichem Vorlauf anzugehen. Wie ließe sich ansonsten der aktuell bestehende Fach-, aber auch Führungskräftemangel erklären?

Bis zum heutigen Zeitpunkt wurden und werden in vielen Unternehmen finanziell äußerst attraktive „Pakete“ geschnürt, um insbesondere älteren Mitarbeitenden das vorzeitige Ausscheiden aus dem Betrieb und damit oftmals auch aus dem Berufsleben zu erleichtern. Gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte, auf die die Wirtschaft eigentlich so dringend angewiesen ist, werden, teilweise beginnend mit dem 58. Lebensjahr, in die Altersteilzeit geschickt oder es werden Vorruhestands- oder aber Aufhebungsverträge angeboten. Das Unternehmen profitiert dann zumindest noch innerhalb der aktiven Phase der Altersteilzeit von dem Know-how der Mitarbeitenden. In jedem Fall endet das Arbeitsverhältnis jedoch in einem Alter, das noch lange nicht dem gesetzlichen Renteneintrittsalter entspricht. Eine gut qualifizierte Fach- bzw. Führungskraft steht dem Unternehmen damit nicht mehr zur Verfügung.

Folge dieser Unternehmenspolitik ist ein Loch, das die ausgeschiedene Person im Betrieb bzw. im Betriebsablauf hinterlässt und das nicht (unmittelbar) wieder geschlossen werden kann. Dies liegt u.a. an der demografischen Entwicklung der Generation der geburtenstarken „Babyboomer“. Langsam, aber sicher steuern die Babyboomer, also die Geburtsjahrgänge 1946 bis 1964, vollständig auf das gesetzliche Rentenalter zu. Die nachfolgenden Generationen, die nicht mehr so stark vertreten sind, können die ausscheidenden Älteren nicht mehr ersetzen.

Viele Unternehmen können dadurch offene Stellen entweder nicht mehr unmittelbar, nur zeitlich verzögert, mit qualifizierten Personen nachbesetzen oder müssen sogar eine geringere Qualifikation der Bewerbenden bei der Nachbesetzung in Kauf nehmen. Um dies zu vermeiden, greifen mittlerweile immer mehr Unternehmen auf eine Maßnahme zurück, die nur schwer nachzuvollziehen ist. Sie versuchen die Mitarbeitenden, die sie noch vor einiger Zeit für viel Geld aus dem Unternehmen „herausgelobt“ haben, wieder einzustellen, in dem sie ihnen wieder ein finanziell attraktives „Paket“ schnüren. Finde den Fehler! Der Generationenwechsel, in dem wir uns alle befinden, muss für die Unternehmen aber nicht unbedingt mit einem Aufwand bzw. mit Nachteilen verbunden sein. Dieser bietet viele Chancen, die jedoch auch ergriffen werden müssen. Ob nun „Digital Leadership“ oder „New Work“ genannt, letztendlich dreht sich alles um Veränderung. Ein wesentlicher Antreiber bei der Umsetzung des strukturellen Wandels in der Arbeitswelt war sicherlich der Beginn der Covid19-Pandemie im März 2020. Die erforderliche Digitalisierung in den Unternehmen wurde von jetzt auf gleich beschleunigt. Flexibilität war plötzlich gefragt. Und damit einher ging auch das Umdenken in Bezug auf die veränderten Anforderungen und Bedürfnisse der nachkommenden Generationen. Diversität, Equal Pay, einfachere Bewerbungsverfahren, E-Recruiting, der Abbau von Hierarchien, flexible Arbeitsorte und -zeiten, Führen in Teilzeit sind nur einige Punkte, die den Generationswechsel für die Unternehmen doch noch zu einem Erfolg werden lassen können und werden.

Es ist noch nicht zu spät zu reagieren, obwohl es einfacher gewesen wäre, mit dem damaligen Wissen aktuell besser und effektiver aufgestellt zu sein.

1 MÜLLER, KLAUSETAL., DER GENERATIONSWECHSEL IM MITTELSTAND IM DEMOGRAFISCHEN WANDEL, GÖTTINGER
HANDWERKSWIRTSCHAFTLICHE STUDIEN, NO. 83

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