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„Im Süden lässt es sich gut leben und arbeiten“

Foto: Sina Ettmer Photography via Shutterstock

Wir trafen die Wirtschaftsministerin von Baden-Württemberg Nicole Hoffmeister-Kraut und Bayerns Energie- und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger zum Interview und sprachen über die Standortvorteile im Süden, Lebensqualität und Chancen für die Zukunft.

Hubert Aiwanger

Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie

„Wir betreiben eine Politik, die Innovationen begünstigt und Wert legt auf eine nachhaltige Entwicklung in allen Landesteilen.“

Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut

Baden-württembergische Landesministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau

„Mein Ziel ist es, gerade die vielen kleinen und mittleren Unternehmen in die Lage zu versetzen, die großen Chancen neuester Technologien, wie etwa die der Künstlichen Intelligenz, für sich zu nutzen.“

Welche Faktoren machen den Wirtschafts- standort Süddeutschland so attraktiv?

Aiwanger (A): 

Bayern zeichnet sich aus durch leistungsstarke, innovative Unternehmen, gut ausgebildete und hoch motivierte Fachkräfte, exzellente universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie eine effiziente Versorgung mit Breitband und Mobilfunk und eine moderne Verkehrsinfrastruktur. Wir betreiben eine Politik, die Innovationen begünstigt und Wert legt auf eine nachhaltige Entwicklung in allen Landesteilen. Das führt zu einem wirkungsvollen Technologietransfer aus der Wissenschaft in die Wirtschaft, steigert die Wertschöpfung und schafft hochwertige Arbeitsplätze. Das macht den Wirtschaftsstandort Bayern so attraktiv.

Hoffmeister-Kraut (H-K): 

Die Faktoren heißen Neugier, Ideenreichtum und Forschergeist. Sie machen den Unterschied, denn diese Eigenschaften haben in Baden-Württemberg Tradition. So investiert Baden-Württemberg 5,6 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung. Das ist nicht nur innerhalb Europas, sondern weltweit ein Spitzenwert, auf den wir sehr stolz sind. Wir konzentrieren uns darauf, flächendeckend und effizient Wissens- und Technologietransfer umzusetzen. So unterstützen wir aktiv die Realisierung von innovativen und nach- haltigen Produkten und Dienstleistungen. Die Freude am Tüfteln merkt man unserem Land an. Als führende Innovationsregion sind wir deshalb auch bei den Patentanmeldungen an der Spitze.

Im Vergleich der Bundesländer liegen Bayern und Baden-Württemberg in sämtlichen Kategorien stets weit vorn. Welche Wettbewerbs-/Standortvorteile hat Süddeutschland im Vergleich zum Rest der Republik?

A:

Um es auf den Punkt zu bringen: In Bayern lässt es sich sehr gut leben, sowohl in den Metropolen als auch im ländlichen Raum. Es gibt attraktive Arbeitsplätze, nicht nur bei den großen Konzernen. Wir vertrauen auf eine lange Tradition zukunftsorientierter Wirtschaftspolitik, die vor allem kleine und mittelständische Betriebe im Fokus hat und auf eine regional ausgeglichene Wirtschaftsstruktur setzt. So bilden mit 99,6 Prozent vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) das Rückgrat der bayerischen Wirtschaft; die Arbeitslosenquoten weichen aktuell nur 0,9 Prozentpunkte zwischen den Regierungsbezirken ab. Wertschöpfung und Beschäftigung finden also in allen Teilen Bayerns statt – nicht nur in den Metropolen. Internationale Spitzenkräfte aus Wirtschaft und Forschung lassen sich gerne hier nieder, weil sie wissen, dass ihre Familien gut und sicher leben, sie ihre Freizeit vielfältig gestalten und ihre Kinder sehr gut ausgebildet werden können. All dies stärkt unsere Innovationskraft: Deutschland ist das Land der Erfinder, und die meisten Erfinder kommen aus Bayern. Mit mehr als 7.500 Patentanmeldungen im letzten Jahr sind wir die erfindungsreichste Region Europas.

H-K: 

Baden-Württemberg ist so attraktiv, weil es nicht nur wirtschaftlich stark ist, sondern dazu auch in hohem Maße lebenswert. Menschen aus aller Welt fühlen sich in Baden- Württemberg auf Anhieb wohl. Sie treffen hier auf weltoffene Menschen, leben in wunderschönen Städten und Gemeinden, sind von einzigartigen Landschaften umgeben, können sich auf hervorragende Schulen und Hochschulen verlas- sen und bekommen ein erstklassiges Kulturangebot geboten. Neuankömmlinge sind auch immer wieder positiv von der beeindruckenden Branchenvielfalt im Land überrascht, angefangen von der Mobilitätsbranche über den Maschinen- und Anlagenbau, der Gesundheitswirtschaft, den Informations- und Kommunikationstechnologien, der Kultur- und Kreativwirtschaft, dem Tourismus bis hin zu unternehmensnahen Dienstleistungen. Es ist diese einzigartige Mischung, die Baden-Württemberg attraktiv macht.

Welche Maßnahmen unternimmt der Süden Deutschlands, um national und international wettbewerbsfähig zu bleiben?

A: 

Wir befinden uns mitten in einem Strukturwandel, der uns noch einige Zeit beschäftigen wird. Damit müssen wir offensiv umgehen und wir müssen schnell handeln. In Bayern haben wir unsere Hausaufgaben bereits gemacht, indem wir mit der Hightech Agenda die digitale Transformation unserer Wirtschaft eng begleiten und Zukunftstechnologien umfangreich fördern. Unser Zukunftsforum Automobil unterstützt die Unternehmen der bayerischen Fahrzeug- und Zulieferindustrie auf ihrem Weg in die digitale Zukunft mit über 300 Millionen Euro. Das sind kraftvolle Investitionen in die Arbeitsplätze von morgen. Mit unserer Standortpolitik stärken wir konsequent Industrie und Mittelstand. Wenn Unternehmen, insbesondere Start-ups und KMU, auf Hürden stoßen, helfen wir. Um technologisch an der Spitze zu blei- ben, müssen Wissenschaft und Wirtschaft eng zusammenarbeiten und neue Erfindungen schnell in Produkte und Dienstleistungen umsetzen. Das fördern wir gezielt in unserer Cluster-Offensive für 17 Schlüsselbranchen. In diesen überregionalen Netzwerken entstehen viele Ideen und Produkte in Hightech und traditionellen Unternehmen, sowohl in den Städten als auch auf dem Land. Für neue Projekte stellen wir Start-ups Wagniskapital von Bayern Kapital zur Verfügung oder vermitteln Zuschüsse auf Basis unserer Technologieförderprogramme.

H-K: 

Von 1.000 Unternehmen sind bei uns 995 Mittelständler. Mein Ziel ist es deshalb, gerade die vielen kleinen und mittleren Unternehmen in die Lage zu versetzen, die großen Chancen neuester Technologien, wie etwa die der Künstlichen Intelligenz, für sich zu nutzen. Deshalb haben wir als erstes Wirtschaftsministerium in Deutschland eine Wirtschaftsstrategie Künstliche Intelligenz formuliert, die wir mit Nachdruck umsetzen. Mit dem Cyber Valley ist schon heute ein weltweit führender Standort der KI- Grundlagenforschung in der Region um Stuttgart und Tübingen zu Hause. Und mit einem neuen KI-Fortschrittszentrum sorgen wir dafür, dass auch der Mittelstand von dieser akademischen Exzellenz profitiert. Weiter kümmern wir uns besonders darum, Gründungen und Startups beste Bedingungen zu bieten. Startups sind unser Mittelstand von morgen.

Aus wirtschaftlicher Sicht – wo sehen Sie die größten Herausforderungen, aber auch Chancen für die kommenden Jahre?

A:

Wie alle westlichen Volkswirtschaften fordern uns der Klimawandel und der Übergang in eine datenbasierte Industrie heraus. Außerdem suchen Industrie und Handwerk dringend nach Fachkräften, und angesichts unserer demografischen Entwicklung müssen wir hier aktiv werden. Deswegen haben wir mit Partnern aus der Wirtschaft den Pakt für Berufliche Bildung geschlossen und die Initiative „Fachkräftesicherung+“ gestartet. Ich sehe aber auch eine gewisse Gefahr darin, dass wir in Deutschland nicht mehr genug wollen: Das Bewusstsein, dass wir uns nicht auf unseren Erfolgen ausruhen können, schwindet bei manchen. Industriepolitik ist nicht nur eine bayerische Aufgabe; wir können nur gemeinsam mit Deutschland und Europa erfolgreich sein. Dafür brauchen wir flexiblere Arbeitszeiten, einen niedrigeren Strompreis für die Industrie sowie klare strukturelle und steuerpolitische Impulse. Beispielsweise müssen wir die Unternehmenssteuer von 30 auf 25 Prozent senken. Und wir müssen wieder krisenfester werden, vor allem was die Versorgung mit Lebens- und Arzneimitteln aus heimischer Produktion angeht. All dies birgt viele Chancen auf sichere Arbeitsplätze und ein friedliches Miteinander. Wir müssen sie nur ergreifen.

H-K: 

Die größte Herausforderung ist für uns sicherlich die Transformation der Automobilindustrie. Derzeit überlagern sich der konjunkturelle Abschwung und der tiefgreifende Strukturwandel in der Automobil- und Zulieferindustrie. Enorme Investitionen in neue Technologien sind erforderlich, während gleichzeitig die Gewinne sinken. Die große automobile Zukunftsvision heißt emissionsfreies Fahren. Diesen Transformationsprozess müssen wir vor allem technologieoffen angehen. Im Strategiedialog Automobilwirtschaft Baden-Württemberg bringen wir deshalb alle relevanten Akteure zusammen und treiben Themen wie Batterie, Brennstoffzelle und synthetische Kraftstoffe gemeinsam voran. Gerade wir in Baden-Württemberg haben beste Voraussetzungen dafür, die Transformation zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Denn bei uns gibt es für so gut wie jedes technische Problem Expertinnen und Experten, Fachleute und Hidden Champions. Wir bringen die richtigen Leute zusammen – mit dem Ziel, auch in Zukunft ein Top-Automobil-Standort zu bleiben.

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