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Maschinen- und Anlagenbau in Ostdeutschland setzt Akzente

Die jüngere Vergangenheit hat in der Branche jedoch weitreichende Spuren hinterlassen. Nach dem innerdeutschen Mauerfall mit seinem gravierenden Strukturwandel trübten die Finanz- und Wirtschaftskrise, der Ausstieg aus der Solarförderung und die Sanktionspolitik der Bundesregierung gegenüber Russland die Entwicklung und Aufbruchstimmung. Der Blick in die Zukunft ist dennoch vielversprechend.

Ein weiterer Garant sind die Mitarbeiter. Sie sind nicht nur loyal, technikaffin, engagiert und gut ausgebildet. Sie wissen auch mit Veränderungen umzugehen.
 

Diese Krisen – ob politisch oder wirtschaftlich hervorgerufen – kehren die besonderen Gegebenheiten des ostdeutschen Maschinenbaus an die Oberfläche: Die Unternehmen sind im Durchschnitt deutlich jünger und kleiner, haben eine niedrigere Eigenkapitalquote und agieren überdurchschnittlich oft als Zulieferer. Sie haben es infolge des geringeren personellen und finanziellen Spielraums schwerer, sich in verschiedenen internationalen Märkten zu etablieren und zu wachsen. Zugleich sind sie anfälliger für Insolvenzen.
 

Mit Energie und Mut auf Augenhöhe       

Doch entmutigen lassen sich die Unternehmen zwischen Ostseeküste und Erzgebirge nicht. Sie stellen sich mit einer außergewöhnlichen Innovationsfreude und Energie den Herausforderungen. Viele gehören mittlerweile zu den Hidden Champions. Damit setzt der ostdeutsche Maschinenbau nicht nur entscheidende Akzente in der Branche, er ist eine tragende Säule der gesamten ostdeutschen Industrie. Die wirtschaftliche Entwicklung spiegelt das eindrucksvoll wider. Der 1990 eingeleitete Umgestaltungsprozess führte sehr schnell zu einem drastischen Rückgang der Produktion. In den Folgejahren vollzog sich eine extreme Deindustrialisierung. Von 1991 zu 1992 stürzte beispielsweise die Zahl der Mitarbeiter von 330.000 auf nahezu die Hälfte ab. Bis 2005 rutschte sie weiter auf etwa 62.000. Heute finden in den Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern wieder circa 85.500 Menschen ihre berufliche Heimat. Der Umsatz kletterte zwischen 1991 und 2018 um stattliche 115 Prozent von 8,6 auf 18,5 Milliarden Euro.
 

Stärken ermöglichen erfolgreiche Entwicklung

Ein Erfolgsfaktor ist die hohe Innovationskraft der Unternehmen. Zum einen geht diese auf eine zunehmende eigene Entwicklung zurück. Außerdem zahlen sich die Investitionen in eine weithin verankerte, exzellente Forschungslandschaft aus. Sie ermöglichen die enge Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Auch Kooperationen mit Unternehmen aus der Region erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit. Und mithin verkehrt sich sogar die Kleinteiligkeit in eine Stärke – so lassen schlanke Strukturen eine größere Flexibilität zu.

Ein weiterer Garant sind die Mitarbeiter. Sie sind nicht nur loyal, technikaffin, engagiert und gut ausgebildet. Sie wissen auch mit Veränderungen umzugehen – mit Blick auf die Digitalisierung und den erneuten Strukturwandel in den Braunkohleregionen ist gerade das ein wesentlicher Standortvorteil.
 

Besondere ostdeutsche Herausforderungen  

Allerdings stellt die demografische Entwicklung die ostdeutschen Maschinenbauer bereits jetzt vor eine große Hürde. Durch die Abwanderungswelle junger Menschen, die auch heute noch abseits der Ballungszentren zu beobachten ist, zeigen sich die Folgen der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung in Ostdeutschland stärker und zeitiger. Für viele Unternehmen ist es daher ein schwieriges Unterfangen, ihre gealterten Belegschaften zu verjüngen. Eine Umfrage des VDMA Ost im Frühjahr 2019 ergab, dass drei Viertel der Mitglieder Probleme haben, offene Stellen in einer angemessenen Zeit und in der notwendigen Qualität zu besetzen. Schon lange fordern der Verband und seine Mitglieder daher ein tragfähiges Zuwanderungsgesetz.

Zudem muss die Politik vor allem in den ostdeutschen Regionen eine angemessene Infrastruktur schaffen, damit sich Fachkräfte für die Region begeistern und sich neue Unternehmen ansiedeln. Vor allem im ländlichen Raum ist es wichtig, den Netzausbau und die Anbindung an das Straßen- und Schienennetz voranzutreiben. Hinterfragt werden sollten endlich auch die deutlich höheren Energiepreise im Vergleich zu den alten Bundesländern. Doch genauso muss die Politik bei der sozialen Infrastruktur ansetzen. Die Entscheidung für oder gegen eine Region, für oder gegen ein Unternehmen hängt unter anderem von der Gesundheitsversorgung, von ausreichenden Einkaufsmöglichkeiten, Kindergärten und Schulen sowie Raum für die Freizeitgestaltung ab. Dann sind auch die günstigen Lebenshaltungskosten ein unschlagbarer Vorteil.
 

Zukunft ist chancenreich  

Im 30. Jahr des Mauerfalls wird deutlich: Im ostdeutschen Maschinen- und Anlagenbau hat sich viel getan. Die hochinnovativen Unternehmen haben die bisherigen gravierenden Veränderungen in der Industrielandschaft erfolgreich angenommen. Sie bieten heute zukunftsfähige, attraktive Arbeitsplätze und werden sich genauso unbeirrt wie bisher den kommenden Herausforderungen stellen. Im Prinzip befinden sie sich schon wieder mittendrin in diesem Wandel. So entstanden in den vergangenen Jahren alle neuen deutschen Automobilwerke in Ostdeutschland – hier entwickelt sich auch die Mobilität der Zukunft. Somit wird sich der Wachstumsprozess in den kommenden Jahren sicherlich fortsetzen.

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