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„Hört auf, euch zu vergleichen!“

Erinnern Sie sich noch an Ihre allererste Begeisterung für Technik?

Ich glaube, das war so eine Art Puppenhaus, an dem ich mit meinem Vater rumgebastelt habe. Da haben wir winzige Stühle und Tische gebaut und kleine Lampen installiert. Mein Vater ist Elektriker und hat mir schon ganz früh erklärt, wie zum Beispiel ein Lichtschalter funktioniert und solche Sachen, insofern war ich immer schon ganz interessiert.

Logisch, dass Sie sich später entschieden haben, Elektrotechnik zu studieren.

(Lacht) Na ja! Das war dann schon noch mal eine Überraschung für meine Familie und meine Freunde – und ein bisschen eigentlich auch für mich. Ich hatte Deutsch und Musik als Leistungskurse, wollte immer schon Schriftstellerin werden – und plötzlich: Aachen.

Wie kamen Sie denn auf Aachen und die Karriere als Elektroingenieurin?

Zufall! Ich liebe Zufälle. Natürlich nicht in dem Sinne, dass das alles „einfach so passiert“ ist – aber in der Abizeit habe ich eben zufällig ein Poster gesehen: „Ingenieure gesucht!“ Dann habe ich mich damit beschäftigt und bin nach kurzer Recherche auf die Uni Aachen gestoßen. Die ist eben einfach sehr gut!

Was haben Freunde und Familie gesagt?

Ach, meine Familie hat mich immer unterstützt. Die eine oder andere Freundin hat sich anfangs schon gewundert; eine meinte auch gleich: „Das schaffst du nie!“, weil sie wusste, dass das kein leichtes Studium ist. Aber ich habe sie alle überzeugt (lacht) !

Wie ging es dann los? Haben Sie nach zwei Tagen gedacht: „Au Backe, worauf habe ich mich bloß eingelassen?“

Dieses Gefühl hatte ich ehrlich gesagt ganz schön lange! Ich hatte ja wie erwähnt nicht gerade die besten Voraussetzungen – wie zum Beispiel Mathe-LK. Ich musste eigentlich die ganze Zeit über viel mehr lernen als meine Kommilitonen. Also zugeflogen ist mir da wirklich nichts.

Was hat Sie trotzdem immer wieder motiviert, was hat die Begeisterung für den Studiengang aufrechterhalten?

Ich habe mich selbst motiviert – um nicht zu sagen ausgetrickst (lacht). Zum Beispiel mit kleinen „Du schaffst das!“-Zetteln, die ich überall hingeklebt oder mit in die Uni genommen habe. Ich habe sogar alle meine Passwörter dementsprechend geändert: Immer, wenn ich irgendwo ein Passwort eingeben musste, musste ich so was tippen wie „Du packst das!“.

Das ist ja genial! Ich wollte gerade nach Vorbildern fragen, aber …

Vorbilder habe ich auch! Zum Beispiel Reese Witherspoon in „Natürlich blond“, kennen Sie den?

Nein, tut mir leid.

Sie fängt an, Jura zu studieren, keiner traut es ihr so richtig zu …

… und dann packt sie es aber!

Ja, na klar (lacht)! Na ja, so was habe ich mir angeschaut. Ich glaube, es ist ganz wichtig, einfach positive Sachen zu machen, sich nicht in eine Spirale negativer Gedanken reinzudrehen, wenn man vor einer Herausforderung steht. Darum ist auch Pippi Langstrumpf ein weiteres großes Vorbild. Einfach machen! Frech sein, nicht immer alles vorher genau wissen wollen! Die größten Hindernisse bauen wir uns meistens selbst, ich glaube, vor allem junge Frauen können das gut. Bevor man was versucht, hat man schon viele gute Gründe, es besser nicht zu versuchen.

Da fällt mir mein drittes großes Vorbild ein: Coco Chanel! Ich kann allen Ladys nur empfehlen, diese Geschichte mal zu lesen. Was das in der Zeit damals für ein Akt war! So ein Business aus dem Boden zu stampfen, als eine Frau noch nicht mal ein eigenes Konto haben durfte! Also, es gibt so tolle Vorbilder und gute Beispiele, da wird ja wohl auch „Rosie in Aachen“ nicht so schnell untergehen (lacht). Und übrigens: Auch Reese Witherspoon selbst war offenbar von ihrem Film inspiriert – jedenfalls hat sie danach ihre eigene Produktionsfirma gegründet, die Filme von, mit, über junge(n) Frauen macht.

Könnte es eventuell auch an Aachen liegen, dass Sie …

(lacht) … ich dieses Thema so wichtig finde? Ich glaube, ich weiß, worauf Sie hinauswollen, und das war teilweise auch wirklich ganz schön extrem …

In Aachen gibt es sehr viel mehr Männer als Frauen.

Ja, teilweise 80 Prozent! Das war manchmal schon lustig, wenn man da tanzen ging. Ich habe mich auf einmal ertappt, wie ich in der Disco versucht habe, an die wenigen Frauen „ranzukommen“ – einfach um mal welche kennenzulernen! Also, das „Problem“ mit der Gleichberechtigung ist auch „ohne Aachen“ ein großes Thema für mich, aber die spezielle Situation dort hat schon einige Sachen verdeutlicht.

Welche „Tipps“ würden Sie jungen Frauen nach dieser Erfahrung geben?

Mehr machen! Wie gesagt, weniger zweifeln und nach Ausreden suchen, mehr machen und ausprobieren! Ich glaube nämlich, irgendwo im Zentrum dieser „Hemmungen“ liegt ein Denkfehler, und zwar der Gedanke, dass man gleich total gut sein muss, wenn man sich „was traut“. Wer sagt das? Ich bin auch nicht selbstbewusst geboren – aber ich habe gelernt, dass es keinen Sinn macht, sich immer mit anderen zu vergleichen. Schon gar nicht mit den Besten, Schönsten, Tollsten – aber ich meine das auch ganz prinzipiell. Ich musste zum Beispiel die eine oder andere Klausur mehrmals wiederholen (lacht), das hat mich am Anfang total fertiggemacht.

Aber dann habe ich gemerkt, dass ich gar nicht „die Sache an sich“ so schlimm fand – immerhin hatte ich nun mal keinen Mathe-Leistungskurs, also was soll’s? – Mich hat viel mehr genervt, dass die meisten anderen das nicht wiederholen mussten. Irgendwann habe ich dann gedacht: „Na und? Ich habe dafür andere Qualitäten, ich mache das auf meine Art und Weise, und dann brauche ich eben länger.“ Also hört auf, euch ständig zu vergleichen! Denn eins habe ich auch gelernt: Die Leute, mit denen man sich vergleicht, haben genauso Probleme und Selbstzweifel wie man selbst. Und je toller sie sich präsentieren, umso größere Zweifel haben sie oft hinter den Kulissen.

Wie und wann kam dann die Idee, ein Buch über Ihre Erlebnisse zu schreiben?

Das war auch wieder so ein Mix. Einerseits wollte ich schon immer Schriftstellerin werden, andererseits wusste ich nicht so richtig, worüber; und ich hatte gerade ein technisches Studium abgeschlossen. Als ich dann zu Hause immer so lustige Geschichten aus meinem Studium erzählt habe, meinte mein Vater: „Schreib doch darüber dein erstes Buch!“ Das hat sich eher aus vielen Gesprächen ergeben, als dass ich da irgendeinen Masterplan durchgezogen hätte.

Herausgekommen ist ein total unterhaltsames Buch, das der manchmal ja etwas giftigen Genderdiskussion nur guttun kann. Was halten Sie denn von der Frauenquote – gerade nach „Jahren in Aachen“?

(Lacht) Also das ist wie gesagt schon ein ziemlich spezielles „Soziotop“. Generell sehe ich so eine Quote ein bisschen als eine Art notwendiges, weil nützliches „Übel“. Perfekt ist das nicht, wenn eine Frau einen Job nur kriegt, weil sie eine Frau ist – andererseits muss was passieren, und da ist die Quote auf jeden Fall ein Hebel, der was bewegt. Vielleicht passiert nicht in jedem Unternehmen genug – aber es ist gut, wenn in jedem Unternehmen eine Diskussion in Gang kommt. Denn letztendlich sprechen die Argumente für sich: Gemischte Teams sind kreativer und produktiver.

Wie wird sich das in Zukunft weiterentwickeln, was meinen Sie?

Ich denke schon, dass sich das insgesamt in eine gute Richtung entwickelt. Vielleicht zu langsam, aber die bestehenden Strukturen haben sich ja auch über eine lange Zeit entwickelt; so was dauert einfach. Schauen Sie nach Frankreich, wo ich gerade ein Projekt betreut habe. Da fangen die Frauen nach einer Schwangerschaft viel schneller wieder an zu arbeiten, weil sie viel besser aufgefangen werden.

Ich glaube, es wird ein Mix aus vielen Maßnahmen sein müssen. Bessere Kitas, bessere Angebote auch in den Unternehmen, mehr Möglichkeiten auch für die Väter und nicht zuletzt ein Umdenken, was Studien- und Karrieremöglichkeiten für Frauen angeht – Stichwort MINT. Auf Dauer wird es keinen Sinn machen – und keine guten Gründe geben – irgendwie auf Frauen zu „verzichten“

Inzwischen arbeiten Sie als Unternehmensberaterin in der Automobil-branche. Wie kann man sich das vorstellen – haben Sie etwa letztendlich sogar „umsonst“ studiert?

Überhaupt nicht! Ich berate ja als Ingenieurin, das heißt, alle meine Jobs und Projekte haben eine technische Basis. Zuletzt habe ich mich zum Beispiel mit Elektromobilität beschäftigt, mit sogenannten „Connected Services“ rund ums Auto, zurzeit arbeite ich im Bereich autonomes Fahren – das ist ja das Geniale: Ich habe das technische Know-how, bewege mich aber auch in anderen Dimensionen, wie Management, Teamwork, Planung, auch Finanzen … Das ist total vielfältig, und das ist mir auch sehr wichtig. Übrigens auch eins dieser Klischees, die nichts bringen – als würde man so was studieren und dann in irgendwelchen Kellern an irgendwelchen Stromkästen rumlöten.

Elektroingenieurin, Schriftstellerin, Vorbild. Wie geht es weiter?

Mal sehen! Ich habe schon eine große innere Energie – aber keinen „Zehn-Jahres-Plan“, was meine Karriere angeht. Die Wahl des Studiums hatte mit Zufall zu tun, auch mein jetziger Job in der Automobilbranche hat sich eher so ergeben, insofern bin ich einfach aufgeschlossen. Aber da durch mein Buch jetzt so viele Kontakte und Gespräche mit so vielen jungen Frauen entstanden sind, kann ich mir gut vorstellen, mich in diese Richtung zu bewegen.

Ich habe bereits ein paar Trainings gemacht und Reden gehalten, ich arbeite an meinem zweiten Buch, das sich mit diesen Themen beschäftigt – also ich kann mir gut vorstellen, andere junge Frauen zu motivieren, ihr Ding zu machen. Das macht mir total viel Spaß, und vielleicht können meine Erfahrungen helfen, die ganze Sache ein bisschen schneller voranzubringen. 

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