Der Finanz- und Investmentmarkt ist unaufhaltsam im Wandel. Mit den Finanzexperten Natascha Wegelin (NW), Finanzbloggerin von „Madame Moneypenny“ und Autorin, und Andreas Franik (AF), Chefredakteur von FinanceNewsTV, sprechen wir über das wachsende Interesse Anlegerinnen, die Auswirkungen der Causa „GameStop & AMC“ und die Anlageklassen, die sich auch in der aktuellen Krise bewiesen haben.
Wir schreiben 2021 – Gleichberechtigung ist heute ein präsenteres Thema als noch vor 10 Jahren. Wie sieht es beim Thema Finanzen und Altersvorsorge aus?
NW: Es gibt noch immer wirklich erschreckende Statistiken zu diesem Thema. Altersarmut tritt deutlich öfter bei Frauen auf. Blickt man rein auf die Zahlen, verdienen Männer in ihrem Erwerbsleben knapp eine Viertel Million mehr. Das zeigt sich dann auch in der Rente, leider. Frauen beschäftigen sich tendenziell zu spät mit diesen Themen. Ich merke oft, dass sie zu große Ängste und Vorbehalte und zu wenig Selbstvertrauen bei der Sache haben. Männer gehen da mit einer Selbstverständlichkeit ran. Wenn sich Frauen allerdings trauen und bewusst damit auseinandersetzen, dann machen sie es auch richtig
AF: Immer mehr Frauen, vor allem die jüngeren, beschäftigen sich mit dem Thema Geldanlage, Finanzen und Altersvorsorge. Das ist eine großartige Entwicklung. Gleichwohl ist ihre absolute Zahl noch immer recht gering und so stoßen immer mehr Journalistinnen, Autorinnen und Vermögensverwalterinnen in diesen Bereich vor und leisten ausgezeichnete Arbeit, übrigens nicht nur für Anlegerinnen, sondern auch für die männlichen Pendants. Bei den auszuwählenden Produkten sollte hier jedoch nicht zwischen weiblichen und männlichen Kunden unterschieden werden. Wenn eine Aktie oder Anleihe, wenn ein ETF oder ein aktiv gemanagter Fonds gut ist, dann ist er das für alle.
Welche Entwicklungen erwarten
Sie diesbezüglich in den kommenden Jahren?
NW: Die Basis verändert sich aktuell schon immer mehr. Die Frauenquote ist auch ein Schritt in die richtige Richtung, aber von der Spitze erwarte ich leider überhaupt nichts. Ich gehe nicht davon aus, dass sich das Steuersystem oder politische Ausrichtungen drastisch ändern werden. Wir brauchen Geduld und ich hoffe, wir schaffen es, dass es keine Quoten und Proteste mehr braucht. Es tut sich viel auf unterschiedlichsten Ebenen, aber das Gesamtbild passt noch immer nicht zusammen.
Was sind die größten Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wenn es ums Thema Geld geht?
NW: Frauen verdienen weniger Geld aktuell, sitzen auch öfter in der Teilzeitfalle. Hierbei spielen dann steuerrechtliche Unterschiede eine große Rolle. Viele Ehefrauen arbeiten nicht, weil es keinen Sinn macht, da die zusätzlich-en Einnahmen durch die Steuer wegrationalisiert werden. Frauen betreiben zu oft deutlich weniger Vermögensaufbau, da dies noch zu häufig allein den Männern überlassen wird.
AF: Verschiedenen Studien zufolge sollen Frauen bei der Geldanlage langfristiger denken und weniger spekulativ investieren. Nun ja, ich weiß nicht, ob das wirklich stimmt. Es wird sicherlich auch Zockerinnen geben. Aber ich würde aus meiner persönlichen Erfahrung jede Anlageentscheidung mit meiner Frau abstimmen.
Der Skandal um GameStop & AMC hat gezeigt, dass immer mehr junge Anleger(innen) intensiver im Investmentbereich aktiv werden und sogar ganze Märkte und globale Fonds beeinflussen können. Welche Chancen und Gefahren bietet diese Entwicklung?
AF: Zunächst mal ist es gut, dass in den vergangenen Monaten viele neue Investoren an die Kapitalmärkte gekommen sind. In Deutschland sollen es einer Umfrage zufolge allein im Jahre 2020 vier Millionen Menschen gewesen sein, was eine fantastische Zahl wäre. Es gibt schließlich nichts Besseres als Aktien für den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge. Darunter werden sicherlich auch einige gewesen sein, die das Investieren mit Spekulieren verwechselt haben. Diese werden sich bei einem Zock mit GameStop und Co bedauerlicherweise die Finger verbrannt haben. Aber wie heißt es so schön: Nur aus Fehlern lernt man. Hoffen wir nur, dass das Lehrgeld nicht zu teuer war.
Was würden Sie mit Ihrem heutigen Wissen Ihrem 20-jährigen Ich beim Thema Altersvorsorge und Vermögensaufbau raten?
NW: Ich beneide wirklich alle, die bereits Anfang 20 beginnen, sich mit dem Thema Investment auseinanderzusetzen. Doch ich merke auch, dass sich die Ängste und Herausforderungen von jungen Frauen zu diesem Thema mit der Zeit, in der ich begonnen habe, nicht groß verändert haben. Social Media öffnen da Gott sei Dank einen anderen Zugang. Mir würde ich raten, nicht beim Sparen aufzuhören. Vom Sparen allein verdient man kein Geld. Glaub nicht alles, was andere erzählen, sondern wage den Blick über den Tellerrand hinaus.
AF: Ich würde sagen: Fang früh mit Aktien und Fonds an; je früher, desto besser. Spare regelmäßig und langfristig, am besten mit einem Sparplan. Frage deine Eltern und Großeltern, ob sie hierfür nicht ein paar Euro zusätzlich jeden Monat beisteuern wollen. Werde in einer Hausse nicht gierig und verliere in einer Baisse nicht die Nerven. Und achte auf die Kosten. Taste das Ersparte niemals an, dann bist du im Rentenalter Millionär.
Worauf müssen junge Menschen besonders achten, wenn sie anfangen möchten, selbst über ihr Geld und ihre Altersvorsorge zu bestimmen?
NW: Der erste Schritt ist immer der schwierigste, also das Begreifen, dass man etwas tun möchte und man in der Lage ist, es allein zu schaffen. Das Beste, was man machen kann, ist, sich objektiv zu informieren. Man sollte klare Ziele setzen, wohin es gehen soll. Um die Übersicht zu bekommen, ist sehr wichtig, sich Ein- und Ausgaben vor Augen zu halten. Dann kann man Stück für Stück in das Thema eintauchen und sich mit anderen austauschen.
Welche Anlageklassen und -strategien sind für Sie essenziell und zukunftsweisend?
NW: Geht es um langfristigen Vermögensaufbau oder Altersvorsorge, kommt man nicht um Aktien, Fonds und ETFs herum. Viel mehr braucht es dann nicht großartig. Immobilien haben viele Nebenkosten und können heute auch über Aktienfonds und ETFs abgebildet werden. Wichtig ist auch, breit diversifiziert zu investieren. So muss man sich nicht von Einzelschicksalen abhängig machen.
AF: Aus meiner Sicht sind und bleiben Sachwerte elementar wichtig bei der Geldanlage. Dazu gehören Aktien, Immobilien und Edelmetalle. Aktien sind das Produktiv-Gold, da Unternehmen auch künftig großartige Werte schaffen werden. Renditen von durchschnittlich acht Prozent p. a. waren somit in den vergangenen Jahrzehnten möglich. Immobilien sind echtes Beton-Gold, vor allem wenn man sie für sich selbst und die eigene Familie nutzen kann. Ein Garten kann eine nicht zu unterschätzende ideelle Rendite bieten, nicht nur Zeiten des Corona-Lockdowns. Und Edelmetalle wie Gold und Silber sind als Abrundung das, was sie schon immer waren: eine Versicherung für den Ernstfall.