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Die „goldenen 20er“ gab’s schon einmal

Finanzmarkt
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Foto: Phongphan von Shutterstock

Niemand kann wissen, was das kommende Jahr an den Finanzmärkten bringt. Die regelmäßig zum Jahreswechsel gemachten Vorhersagen ersetzen nur den Zufall durch den Irrtum.

Dr Daniel Stelter

Dr. Daniel Stelter

Makroökonom und Strategieberater, 
Gründer von beyond the obvious – Das Forum zur Wirtschafts- und Finanzlage

Das Gute ist, als Investor braucht man diese Vorhersagen nicht. Letztlich ist es für den Vermögensaufbau unerheblich, was im kommenden Jahr passiert. Viel wichtiger ist, was wir für den Rest des Jahrzehnts erwarten können. Und hier könnten die Optimisten am Ende recht behalten, die Ähnlichkeiten zwischen den 1920er- und den 2020er-Jahren sehen. Damals wie heute haben wir eine Pandemie hinter uns. Technologische Innovationen in den Bereichen künstliche Intelligenz (KI), Robotik, Energie, autonomes Fahren, Cloud-Computing, Chipherstellung, Bio-
chemie und Fintech (um nur einige zu nennen) erinnern an die 1920er-Jahre, als Radio, Telefon, Autos und Haushaltsgeräte den Lebensstandard der breiten Bevölkerung deutlich erhöhten und zu erheblichen Produktivitätszuwächsen führten. 

Die steigende Verschuldung und der durch zu billiges Geld befeuerte Börsenboom endeten damals letztlich in der Weltwirtschaftskrise. Womit wir beim entscheidenden Unterschied der Gegenwart zur Lage von vor 100 Jahren sind. Damals begann der Aufschwung an den Börsen von einem unterbewerteten Niveau. Heute haben wir es durch eine Politik des billigen Geldes mit historisch hoch bewerteten Märkten zu tun und es gibt genügend Anzeichen für überschießende Spekulation. 

Wer also heute investiert, muss damit rechnen, dass es zu einer deutlichen Korrektur kommt. Selbst wenn das nicht geschehen sollte, dürfte mit einem einfachen Indexinvestment in den kommenden Jahren real nicht viel zu verdienen sein, vor allem nicht, wenn – wie zu erwarten – die Inflation hartnäckiger zurückkehrt, als die Notenbanker zuzugeben bereit sind. Gleiches gilt für vermeintlich sichere Investitionen wie Immobilien, die ebenfalls schon bei moderaten Zinsanstiegen unter Druck geraten. 

Trotzdem wird es am Ende dieses Jahrzehnts Gewinner geben, die deutlich besser abschneiden. Das dürften Vertreter der neuen Industrien sein und Regionen der Welt, die sich offen für neue Technologien und Innovationen zeigen. Hier gezielt über längere Zeit unter Ausnutzung von Kursschwächen Positionen aufzubauen, dürfte sich lohnen.

Und was wird nun das Jahr 2022 bringen? Wie gesagt ist es müßig, eine Vorhersage zu machen. Wenig spricht für deutlich weiter steigende Kurse: Die Märkte sind trotz der Korrekturen nicht billig. Die Inflation dürfte einige Notenbanken dazu zwingen, etwas vom geldpolitischen Gaspedal zu gehen, und die chinesische Konjunktur schwächelt angesichts des Versuchs der Regierung, die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Immobilienmarkt zu verringern. Hinzu kommt die Unsicherheit über neue Coronavirus-Varianten. 

Umgekehrt bleibt angesichts der weltweiten Überschuldung kein anderes Szenario realistisch als dauerhaft tiefe negative Realzinsen. Dies macht Aktien – so ungern ich das Wort nutze – alternativlos. 

Wie verhält sich der „intelligente Investor“? Er verabschiedet sich von überzogenen Renditeerwartungen, bleibt bei einer regionalen Diversifizierung und schichtet im Zuge der kommenden Jahre von Index und alten Industrien um – in Richtung neue Branchen und Technologien. Mit Blick auf die Unsicherheiten spricht viel für eine höhere Liquidität, um bei Rückschlägen entsprechend handlungsfähig zu sein. 

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