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Qualifikation ist der Schlüssel

Frau Dr. Lydia Malin beantwortet in unserem Interview die Frage nach der aktuellen Fachkräftesituation in Deutschland und welche Lösungsstrategien Sie zur Sicherung der stark umworbenen Fachkräfte für zukunftsweisend erachtet.

Dr. Lydia Malin

Referentin im Projekt Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung am IW

Frau Dr. Malin, wie steht es aktuell um die Verfügbarkeit von Fachkräften?

Rein rechnerisch wäre die Anzahl der Arbeitslosen, ca. 2,5 Millionen, ausreichend, um die offenen Stellen zu besetzten, die aktuell mit ca. 1,5 Millionen beziffert sind. Allerdings richtet sich eine große Zahl der Stellenausschreibungen an Personen mit einer bestimmten Qualifikation. Etwa 1 Million Arbeitslose suchen jedoch eine Helfertätigkeit, weil sie keine entsprechende Ausbildung haben, bzw. ungelernt und z. T. sogar ohne Schulabschluss sind. Für etwa 500.000 offene Stellen gab es bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen.

In welchen Branchen ist ein Mangel an spezifisch ausgebildeten Menschen besonders erkennbar?

Insbesondere Gesundheitsberufe und soziale Berufe sind betroffen. Auch im Handwerk ist der Mangel gravierend, durch Klimawende und Wohnungsbau wird er weiter steigen.

Der dritte Bereich betrifft IT-Kräfte, die für die Digitalisierung nötig sind. Weitere Branchen haben regional- oder saisonbedingt Probleme, Personal zu finden, wie Gastronomie und Hotellerie. Auch in einigen industriellen Metall- und Elektroberufen gibt es schon länger einen flächendeckenden Fachkräftemangel.

Gibt es Lösungsstrategien, wie dem Fachkräftemangel begegnet werden kann?

Grundsätzlich sollte ein Umdenken stattfinden. Wir können es uns nicht leisten, Schüler ohne Abschluss von den Schulen abgehen zu lassen. Daher müssen wir früh ansetzen, Bildungsarmut zu vermeiden. Jeder Schüler muss die Möglichkeit bekommen, zu einem Abschluss geführt zu werden, bzw. sich nachträglich zu qualifizieren.

Für 500.000 offene Stellen gibt es bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen.

Auch müssen Ausbildungsberufe wieder attraktiver werden, damit sich nicht nur Leistungsschwächere für diesen Weg interessieren, sondern auch diejenigen, die nach dem Gesellenbrief den Meister machen oder sich technisch weiterbilden möchten, um Betriebe zu übernehmen und in Zukunft selbst auszubilden. Qualifizierung ist der Schlüssel, in allen Bereichen.

Was können Arbeitgeber:innen tun, um ihr Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt als möglichst attraktiv für Bewerber:innen zu präsentieren?

Wir haben heute einen Arbeitnehmermarkt. Es sind nicht mehr die Arbeitgeber, die aus einer Vielzahl von Bewerbungen wählen, sondern die Unternehmen werben um potenzielle Beschäftigte. Gerade kleine und mittelständische Betriebe haben in der Regel nicht die gleichen Möglichkeiten, wie große Unternehmen; aber sie müssen prüfen, was sie ihrer Belegschaft anbieten können und wie sie sich abheben von der Konkurrenz. Wichtig ist, auch die bestehende Belegschaft einzubinden. Zufriedene Mitarbeiter:innen empfehlen ihre Arbeitgeber weiter, was ein wichtiges Instrument auf dem heutigen Arbeitsmarkt ist.

Wie schätzen Sie die Beschäftigungssituation in Deutschland in fünf Jahren ein?

Der Arbeitsmarkt steht vor einem demografischen Wandel. Die große Gruppe der Babyboomer (geburtenstarke Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre) rückt derzeit ins Rentenalter vor, sodass heute und in den kommenden 5 bis 10 Jahren mehr Personen aus dem Erwerbsleben ausscheiden werden als jüngere nachkommen. Das wird ein Loch in den Arbeitsmarkt reißen, das nicht so ohne weiteres ausgefüllt werden kann.

Ich gehe davon aus, dass sich der Fachkräftemangel weiter zuspitzt, insbesondere in den Bereichen, die schon jetzt betroffen sind.

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