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Pflegeberufe im Wandel: Herausforderungen und Chancen

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Isabell Halletz, 39 Jahre alt und Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege e. V., setzt sich seit zwölf Jahren aktiv in der politischen Interessenvertretung für die Pflege ein. Sie teilt mit uns ihre Perspektive zu den Herausforderungen bei der Rekrutierung von Pflegekräften und den Anforderungen an Bewerber.

Isabell Halletz

Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege e. V.

Die Altenpflege muss sich auf einen Mangel an Fachpersonal vorbereiten.

Welche Herausforderungen ergeben sich für Arbeitgeber und Pflegeeinrichtungen?

Pflegeberufe haben Zukunftspotenzial und verzeichnen Rekordzahlen bei Auszubildenden. Besonders Umschüler:innen zeigen großes Interesse an der Altenpflege, da alle drei Ausbildungsjahre gefördert werden. Dennoch melden aufgrund des Mangels an examinierten Pflegefachkräften immer mehr stationäre Pflegeeinrichtungen Belegungsstopps, da sie die vorgeschriebenen Personalquoten nicht erfüllen können. Arbeitgeber stehen vor der Herausforderung, gesetzliche Personalvorgaben mit dem Bedürfnis der Pflegekräfte nach Autonomie und Freizeit in Einklang zu bringen. Hier sind innovative Arbeitsmodelle gefragt, die von klassischen Schichtsystemen hin zur Eigenorganisation und Selbstbestimmung führen. Die zuständigen Behörden müssen diese Modelle auch zulassen.

Was sind die erforderlichen Schritte und Anpassungen, um sich auf den erwarteten Fachkräftemangel in der Pflege einzustellen?

Die Altenpflege muss sich auf einen Mangel an Fachpersonal vorbereiten, da in den kommenden Jahren etwa eine halbe Million Pflegefachkräfte in den Ruhestand gehen werden. Strenge Personalquoten behindern bereits jetzt eine wohnortnahe Pflege und zwingen Angehörige zur Unterstützung oder führen zu unversorgten Pflegebedürftigen. Die Umsetzung neuer Personalbemessungssysteme ermöglicht die Beschäftigung von mehr Hilfskräften in Einrichtungen und ambulanten Diensten, vorausgesetzt, sie werden zeitnah von Pflegekassen vergütet. Praxisbeispiele zeigen, dass eine qualitativ hochwertige Pflege auch mit weniger Pflegefachkräften, aber insgesamt mehr Personal möglich ist, wobei klare Aufgabenverteilungen zwischen Hilfs-, Assistenz- und Pflegefachkräften entscheidend sind.

Durch den Mangel an Fachkräften werden immer häufiger internationale Fachkräfte hinzugezogen. Sehen Sie Chancen in dieser Möglichkeit?

In kaum einem anderen Beruf ist der Fachkräftebedarf höher als in der Pflege. Deshalb ist die Zuwanderung sehr wichtig. Es arbeiten bereits rund 236.000 Pflegekräfte aus der EU und Drittstaaten in Deutschland. Und es könnten noch viele mehr sein, wenn der Staat endlich von einer Misstrauens- in eine Willkommenskultur wechseln würde, denn die zuständigen Behörden sind oft ein Flaschenhals, der die zügige Anerkennung und damit die Beschäftigung als Pflegefachperson behindert. Hier müssen die Behörden schneller und effizienter werden, die Digitalisierung und künstliche Intelligenz nutzen, um die Verfahren deutlich zu beschleunigen.

Ab 2024 sollen Studierende in Pflegeberufen vergütet werden – abweichend von anderen Studiengängen. Wie ist Ihre Meinung hierzu?

In der Altenpflege gibt es seit Jahren nur einen Weg für die Löhne – den nach oben. Allein in den vergangenen 10 Jahren stiegen die Löhne für Altenpflegefachpersonen um knapp 51 %, soviel wie in keiner anderen Branche. Vielerorts erhalten mindestens dreijährig ausgebildete Pflegefachpersonen bereits 4.000 Euro als Einstiegsgehalt. Auch die Ausbildungsvergütung liegt an der Spitze aller Ausbildungsberufe. Die Zahl der Studierenden liegt bei knapp einem Prozent. Es ist weder wissenschaftlich nachgewiesen, dass durch eine Vergütung das primärqualifizierende Studium attraktiver wird, noch gibt es für eine andere Branche derartige gesetzliche Vorschriften. Wenn die hochschulische Ausbildung attraktiver gestaltet werden soll, um mehr Studierende zu gewinnen, müssen die Länder verpflichtet werden, mehr Mittel bereitzustellen, Stipendienprogramme aufzulegen und zusätzliche Fördertöpfe schaffen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Pflegeberufes?

Mit Blick auf den Fachkräftemangel in allen Berufen müssen wir die Chancen nutzen, besser verzahnt zu arbeiten und dadurch auch fachpflegerische Tätigkeiten weiter aufzuwerten. Das bedeutet, dass qualifizierte Pflegefachpersonen das Vertrauen der Ärzte erhalten, auch ärztliche Tätigkeiten durchführen zu können. Für akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen sehen wir gute Einsatzmöglichkeiten als Schnittstellenfunktion zwischen medizinischem und anderem Fachpersonal.

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